FAQ


Antworten auf häufig gestellte Fragen zu unserem Anliegen – FAQ herunterladen (PDF)


1. Was sind die Forderungen des Bündnisses Wahlrecht für Alle?

2. Wie ist die aktuelle Rechtslage?

3. Was sind die aktuellen politischen Voraussetzungen?

4. Welche Probleme resultieren aus dieser Situation?

5. Welche Vorteile hätte die Einführung eines Wahlrechts für Alle?

6. Würden Betroffene von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen?

7. Können Betroffene nicht einfach die dt. Staatsbürgerschaft annehmen?
Ist die doppelte Staatsbürgerschaft eine Lösung?

8. Wie sieht es in anderen Ländern aus?


1. Was sind die Forderungen des Bündnisses „Wahlrecht für Alle“?

Wir fordern die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts sowie des Abstimmungsrechts auf kommunaler Ebene und auf Landesebene für alle Bürger/innen Berlins. Das Wahlrecht ist ein zentrales Instrument der Einflussnahme auf die Politik und somit die Gestaltung unserer Lebensverhältnisse. Bürger/innen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wird dieses Grundrecht jedoch nur teilweise gewährt bzw. komplett vorenthalten. Das Demokratieprinzip besagt, dass alle Bürger/innen, die von Entscheidungen betroffen sind, auch an der Entscheidungsfindung teilhaben sollen. Deutsche Staatsbürger/innen und Menschen ohne deutschen Pass besitzen identische Pflichten und sollten daher auch identische Rechte gewährt bekommen.

2. Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Zurzeit dürfen Berliner Bürger/innen, die Staatsangehörige eines EU-Staates sind, nur auf kommunaler Ebene wählen und abstimmen. Damit sind sie zum Beispiel von der Mitbestimmung bei bildungs- und sozialpolitischen Fragen auf Landesebene ausgeschlossen. Die Berliner Bürger/innen, die Staatsangehörige keines EU-Staates sind, dürfen weder an Wahlen und Abstimmungen auf Landes- noch auf Bezirksebene teilnehmen. Damit sind sie von fast allen Entscheidungen, die ihr tägliches Leben direkt betreffen, ausgeschlossen. Aufgrund der besonderen Situation Berlins als Stadtstaat kommt hinzu, dass auf Landesebene auch kommunalpolitische Fragen entschieden werden. Die Berliner Bezirke besitzen sehr eingeschränkte Entscheidungskompetenzen. Die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Drittstaatenangehörige wäre daher nur ein geringer Zugewinn. Etwa 487.000 Berliner/innen sind aktuell von der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Der Anteil variiert in den einzelnen Bezirken sehr stark (Quelle: Amjahid, Mohamed 2014: 487000 dürfen nicht mitmachen. Tagesspiegel, 12.05.2014. Online: http://www.tagesspiegel.de/berlin/volksentscheid-487000-duerfen-nicht-mitmachen/9873698.html – Zahlenangaben des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg, Stand: April 2014).

3. Was sind die aktuellen politischen Voraussetzungen?

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht Anfang der 90er Jahre die Einführung eines Wahlrechts für Drittstaatenangehörige in einzelnen Bundesländern ohne Grundgesetzänderung für unzulässig erklärte, haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Bürger/innen deutlich verändert. Das Bremer Urteil vom 24. März 2014 hat jedoch erneut deutlich gemacht, dass für die Einführung eines generellen Ausländerwahlrechts eine Grundgesetzänderung notwendig ist. Hierfür bedarf es einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages und des Bundesrates. Die CDU/CSU müsste der Grundgesetzänderung also zustimmen, was aktuell wenig wahrscheinlich ist.

4. Welche Probleme resultieren aus dieser Situation?

Bürger/innen zweiter Klasse: In Deutschland lebende Drittstaatenangehörige unterliegen denselben Pflichten wie deutsche Staatsangehörige, erhalten aber nicht dieselben Rechte. Dadurch werden sie zu stimmlosen Bürger/innen zweiter Klasse degradiert. Dies steht im Gegensatz zu sämtlichen Inklusionsbemühungen in einer globalisierten Welt.

Ausgrenzung aus den Prozessen der repräsentativen Demokratie: Die individuelle Freiheit kann sich nur dann entfalten, wenn grundsätzlich alle Personen, die dem Recht eines Landes dauerhaft unterworfen sind, dieses auch mitgestalten können. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für das passive Wahlrecht. Die kommunalen Repräsentant/innen sollten demnach aus der Mitte der Gesellschaft gewählt werden, welche Drittstaatenangehörige einschließt.

Ausgrenzung von direktdemokratischen Prozessen: Nur wer das allgemeine Wahlrecht besitzt, kann auch an Bürger- und Volksentscheiden teilnehmen. Davon sind aktuell fast eine halbe Million Berliner/innen ausgeschlossen. Das ist umso tragischer, da diese Instrumente, wie auch gerade beim Tempelhofer Feld, immer häufiger genutzt werden.

5. Welche Vorteile hätte die Einführung eines Wahlrechts für Alle?

Die schon lange hierzulande lebenden Drittstaatenangehörigen könnten endlich ihre demokratischenGrundrechte wahrnehmen und über ihre Lebensbereiche mitentscheiden.

Dies hätte viele positive Auswirkungen:

Inklusion/Identifikation: Das Interesse für gesellschaftliche und politische Vorgänge und die Identifikation mit dem Gemeinwesen wird sich in den betroffenen Bevölkerungsgruppen erhöhen. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, als Teil des politischen Gemeinwesens Verantwortung zu übernehmen und ihr direktes Umfeld mitzugestalten.

Stärkung der Demokratie: Unsere Repräsentant/innen wären aufgrund einer neuen potentiellen Wählergruppe dazu aufgefordert, die Interessen der neuen Wählerschaft ernst zu nehmen und bei ihren politischen Vorhaben zu berücksichtigen. Aktuell haben 487.000 Berliner/innen keinen deutschen Pass. Ihre Interessen werden daher auch nicht repräsentiert, obwohl sie hier leben und arbeiten.

6. Würden Betroffene von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen?

Analog zur Senkung des Wahlalters geht es nicht um den tatsächlichen Gebrauch, sondern um die generelle Möglichkeit, bei politischen Entscheidungen mitbestimmen zu können. Dies gilt umso mehr, da alle hier lebenden Personen gleichermaßen von Gesetzen und Regelungen betroffen sind. Die Einführung eines allgemeinen Ausländerwahlrechts würde vor allem den demokratischen Grundprinzipien nach Teilhabe und Repräsentation genügen, unabhängig davon, ob es auch von jedem Einzelnen genutzt würde. Darüber hinaus haben Umfragen, aber auch die symbolischen Migrant/innenwahlen 2011 in Berlin ergeben, dass das Interesse an politischer Mitbestimmung bei den Betroffenen sehr groß ist (Hinweis: Bei den symbolischen Migrant/innenwahlen 2011 in Berlin haben sich über 2.000 Betroffene beteiligt.).

7. Können Betroffene nicht einfach die dt. Staatsbürgerschaft annehmen? Ist die doppelte Staatsbürgerschaft eine Lösung?

Den dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen ohne deutschen Pass wird nahegelegt, sie sollten die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen, um alle politischen Rechte zu erhalten. Dabei wird ausgeblendet, dass der deutsche Pass nicht ohne Weiteres zu bekommen ist. So müssen die Betroffenen zunächst für mindestens sieben (stimmlose) Jahre in Deutschland wohnen und Deutschkenntnisse sowie Kenntnisse zur Rechts- und Gesellschaftsordnung wie auch ihrer Lebensverhältnisse in Deutschland nachweisen können, um eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragen zu können. Darüber hinaus müssen sie ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben. Schließlich spielt auch die Einkommenssituation der Bewerber/innen eine zentrale Rolle. Wer kein lückenloses Einkommen nachweisen kann, hat schlechte Chancen. Somit hängt das Wahlrecht maßgeblich vom Geldbeutel ab. Der Wahlrechtsgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl schließt solche Bedingungen eigentlich aus.

Das muss sich ändern!

Die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft wäre insofern ein Gewinn, als dass sich Menschen für die Einbürgerung entscheiden könnten, ohne ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen. Sie kämen damit in den Genuss der vollen politischen Rechte, also auch dem Bundestagswahlrecht. Allerdings würde auch der Doppelpass nichts an der langen Frist und den hohen Hürden der Einbürgerung ändern.

8. Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Der Umgang mit dem Wahlrecht ist in anderen europäischen Ländern äußerst vielfältig, wobei die Mehrheit ein Wahlrecht für Drittstaatenangehörige auf lokaler Ebene gewährt. Weltweit besitzen 45 Demokratien ein Wahlrecht für Alle auf lokaler, regionaler oder gar nationaler Ebene. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die aktuelle Situation in Europa.

Land

Allgemeine Regelungen

Voraussetzungen

Belgien 1998 verfassungsmäßige Voraussetzung geschaffen 2004 aktives  Wahlrecht auf kommunaler Ebene a) 5-jähriger legaler Aufenthalt
b) Eintragung in Wählerliste
c) Erklärung über Bekenntnis zu Prinzipien der Demokratie
Dänemark 1974 Wahlrecht für Bürger/innen der nordischen Staaten auf  kommunaler und regionaler Ebene 1981 aktives und passives Wahlrecht für Drittstaatenangehörige auf  kommunaler und regionaler  Ebene 3 Jahre Aufenthalt
Finnland 1976 Wahlrecht für Bürger/innen der nordischen Staaten auf  kommunaler und regionaler Ebene nach 2 Jahren Aufenthalt 1991 aktives und passives Wahlrecht für Drittstaatenangehörige auf  kommunaler und regionaler  Ebene  2 Jahre Aufenthalt
Großbritannien Aktives (18. Lebensjahr) und passives (21. Lebensjahr) Wahlrecht
Irland Seit 1963 wird kommunales Wahlrecht (aktiv) an den Wohnsitz geknüpft – ab 18. Lebensjahr 1974 Ausdehnung auf das passive Wahlrecht 6 Monate Aufenthalt
Niederlande 1985 aktives und passives Wahlrecht 5 Jahre Aufenthalt im Land
Portugal 1976 Wahlrecht für Ausländer/innen aus portugiesischsprachigen Ländern 1989 Kannbestimmung über aktives und passives Kommunalwahlrecht Vorliegen der Reziprozität
a) aktives Wahlrecht für Bürger/innen aus Brasilien und Cap Verden (2 Jahre)
b) Argentinien, Chile, Estland, Israel, Norwegen, Peru, Uruguay, Venezuela (3 Jahre)
c) passives Wahlrecht für Bürger/innen aus Brasilien, Cap Verden (4Jahre), Peru, Uruguay (5 Jahre)
Spanien 1978 Verfassung erlaubt Ausnahmen für Kommunalwahlen Abkommen mit Dänemark, Norwegen, Niederlande, Schweden, einigen lateinamerikanischen Staaten Wahlgesetz 1985
a) Vorliegen der Reziprozität
b) kein passives Wahlrecht
c) 3 Jahre Mindestaufenthalt
Estland

Kommunales Wahlrecht ohne Einschränkungen auf bestimmte Personengruppen

Aufenthaltsdauer 3 Jahre
Litauen(2004) 5 Jahre
Slowakei 10 Jahre
Slowenien 8 Jahre
Ungarn 5 Jahre
Island 5 Jahre
Tschechische Republik 5 Jahre